Tom's Gap Year

...in Frankreich!

Gap Year - ein wichtiger Lebensabschnitt meist junger Menschen.

Vielleicht haben Sie schon einmal von einem Sabbatical oder einem Freiwilligen Dienst im Ausland gehört? Ein Gap Year bedeutet wörtlich übersetzt "Lückenjahr" und beschreibt quasi die Auszeit nach dem Schulabschluss und vor der Ausbildung oder dem Studium.

Für junge Menschen oft eine Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln und eine Orientierung für das spätere Berufsleben zu bekommen. Nachteile des Gap Years sind die intensive Planung und auch die finanziellen Rücklagen, sowie eine große Portion voll Mut.

Wir begleiten Tom in seinem Gap Year in Frankreich. Regelmäßig wird er uns Einblicke in den Alltag des Freiwilligen Dienstes, dem Leben in Frankreich und seiner Gastfamilie gewähren.

Part 1 - 4

„Hey, ich bin Tom aus Gotha. Ich habe mich nach meinem Abi im Mai 2022 dazu entschieden, nicht direkt mit dem Studieren zu beginnen. Vielmehr wollte ich ein bisschen die Welt erkunden, da ich mich trotz abgeschlossener Schullaufbahn nicht wirklich auf das Berufsleben vorbereitet fühlte. So entschied ich mich, mit der Organisation „Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners“ für elf Monate in die Provence zu gehen, um dort an einer Waldorfschule als Freiwilliger zu arbeiten. Nach einer Zusage meiner Einsatzstelle in Avignon musste ich nun noch das Finanzielle klären. Ich baute also einen Unterstützerkreis auf, um die 2800€ für meinen Auslandsaufenthalt aufbringen zu können. Dabei fragte ich unter anderem bei der VR Bank Westthüringen eG in meiner Heimatstadt Gotha an und war sehr dankbar, dass sie mein Vorhaben mit 500€ förderte.“

„Und dann ging es los. Am 27. August fuhr ich mit dem ICE und TGV in den Süden und wurde ganz herzlich von meiner Gastfamilie in ihrem provencialischen Haus am Fuße des Mont Ventoux empfangen. Meine Familie ist keine typische französische: Die Eltern Julian und Ruth stammen eigentlich aus England und ihr elfjähriger Sohn Louis wächst bilingual auf. So sprechen wir also hauptsächlich Französisch, wenn mir aber mal eine Vokabel fehlt, wechseln wir eben ins Englische. Und auch im Alltag merke ich diese Melange der Kulturen - zum Frühstück gibt es englischen Darjeeling und ein frisches Pain au Chocolat. Diese Feinschmeckerei genieße ich sehr!“

„Am 1. September war dann mein erster Schultag. Mit Louis, der an der Waldorfschule in die sechste Klasse geht, fahre ich jeden Morgen zur Schule, er liebt es, im Auto meine deutschsprachige Musik zu hören. An der Schule bin ich, ebenso wie die anderen 6 Freiwilligen, vielfältig eingesetzt: Ich bin im ,cours de periode’ (Hauptunterricht) in der fünften Klasse die helfende Hand der Klassenlehrerin, ebenso wie im Sport-, Kunst- und Gartenbauunterricht der Mittelstufe, unterstütze das Personal der Schulküche und betreue die Kinder der Unterstufe im Hort.“

„Nach 6 Wochen Schulzeit bin ich nun wirklich in einer neuen Welt angekommen und fühle mich wirklich sehr wohl. Für die Schulkinder bin ich mal Freund, mal Lehrer, mit den anderen Freiwilligen erkunden wir an den Wochenenden die Region und in meiner Gastfamilie habe ich ein neues Zuhause gefunden, wenn mir auch so manchmal meine deutsche Familie fehlt…“

Part 5 - 8

"Da bin ich wieder! Nach nun mehr als 4 Monaten meines europäischen Freiwilligendienstes an der Waldorfschule in Avignon als „jeune volontaire allemand“ melde ich mich mit Neuigkeiten. Da ich im Schulalltag richtig angekommen bin, das Französische kaum noch eine Barriere ist und meine Gastfamilie für mich wie ein  Zuhause in der Fremde ist, konnte ich in den letzten Monaten die Provence so richtig kennenlernen. Mit den anderen Freiwilligen und auch meiner Familie, die mich Ende Oktober hier besuchte, erkundigte ich die Ockerfelsen von Roussillon, das  Amphitheater von Orange und in einem Kurzurlaub an der Côte d’Azur genossen wir die letzten warmen Tage des Jahres."

"Und so waren es die kleinen Aufmerksamkeiten, die mir auch an kalten Novembertagen, an denen die Sonne schnell verschwand, genug Energie und Kraft gaben. Neulich verabschiedete sich die Bäckerin meiner Lieblingsboulangerie mit „Bon dimanche chèr allemand“ und die Kinder in der Schule überraschten mich manchmal in der Hofpause mit einem Café au Lait, so wie ich ihn mag. Und dann begann so langsam der Winter. Ja, auch in der Provence fällt Schnee, zumindest auf meinem Hausberg, dem knapp 2000m hohen Mont Ventoux. Hier konnte ich bei klarer Sicht eine alpine Winterwelt gepaart mit provencialischem Sonnenschein erleben."

"Ende November standen dann die Vorbereitungen für den jährlichen Weihnachtsmarkt mit über 40 Kunsthandwerkern und vielen kulinarischen Köstlichkeiten an. Mit der sechsten Klasse bereitete ich aus den im Schulgarten  gepflanzten und getrockneten Kräutern Tee vor, den sie dann selbst verkaufen  durften. Bei der Tombola gewann ich eines der heißbegehrten, von den Familien der  dritten Klasse kreierten Lebkuchenhäuser, das dann aber auch recht schnell verzehrt wurde… Und dann fuhr ich über Weihnachten und Silvester zurück nach Gotha, denn Weihnachten in der Heimat muss schon sein!"

"Die Rückfahrt im TVG nach Avignon Anfang des neuen Jahres fiel mir echt schwer.  Nun hatte ich nach so einer langen Zeit in der Fremde erfahren, was Heimat, wahre Freundschaft und Familie wirklich bedeuten und dann verließ ich sie schon wieder für  die nächsten sechs Monate? Keine leichte Aufgabe. Doch nach kurzer Zeit kam ich wieder voll an, die Kinder freuten sich, mich wieder zu sehen und die Wintersonne  der Provence brachte neue Energie. Eine Lehrerin beschrieb diese Situation ganz gut,  in dem sie sagte „Il faut porter le chaleur de l’exterieur à l’interieur“; man sei nun in der Zeit, in der die weihnachtliche Liebe und Wärme der Familie gut in unserem  Inneren aufbewahrt werden müssen, um daraus neue Kraft zu schöpfen."  

Part 9 - 11

"Ob man es glaubt oder nicht, auch in der Provence ist der Winter hart. Gerade einem Thüringer wie mir, der in der Heimat gern die Langläufer schnappt und durch den Schnee düst, fiel es im Januar und Februar schwer, ohne Schnee, dafür mit umso mehr Mistralwind in der Provence zu sein. Und dann stand auch schon das Zwischenseminar mit allen anderen Freiwilligen der Waldorf-Einrichtungen Frankreichs in Straßburg an. Für mich war das eine einmalige Gelegenheit, sich mit Gleichaltrigen, die eine ähnliche Arbeit wie ich leisten, über Erfahrungen auszutauschen und das Erlebte gemeinsam zu reflektieren. Und dann kam der März und mit ihm schlich sich langsam der Frühling in die Provence. Erst waren es die Mandelbäume und schließlich auch die Kirschplantagen, die in rosig-weißer Pracht zu blühen begannen. Da die Nächte noch relativ kühl waren, konnte man in den Morgenstunden oft kleine Feuer in den Plantagen sehen, die das Erfrieren der Blüten verhindern sollten. Selbstverständlich zog es uns Freiwillige aus Avignon schon in den ersten Sonntagen an die nur knapp achtzig Kilometer entfernte Mittelmeerküste. Denn wenn man Ostseetemperaturen gewohnt ist, schwimmt man auch schon im März im Mittelmeer. Das können die Franzosen kaum verstehen - Qu’est-ce que vous faites là?"

"Anfang April dann wurde es richtig warm - für deutsche Verhältnisse zumindest. So entschied ich mich, bei einem Lauf um die Stadtmauern Avignons teilzunehmen. Stets eine gute Gelegenheit, neue Gesichter kennenzulernen. Und die alt bekannten will man natürlich auch wiedersehen. Deshalb besuchte mich Mitte April mein bester Freund Richard aus Gotha, denn Freundschaften leben von der echten Begegnung und sind vielleicht über einen kurzen Zeitraum, jedoch nicht für immer mit FaceTime - Calls am Leben zu halten.

In den Frühlingsferien widmete ich mich mehr und mehr meinen Zukunftsplänen, denn im Juli wird mein Freiwilligendienst dann auch schon wieder zu Ende gehen und die Bewerbungsfrist an den Universitäten beginnt bald. Da ich meine Verbindung zum Französischen nicht nach einem Jahr schon wieder aufgeben möchte, entschied ich mich für einen deutsch-französischen Studiengang an den Universitäten Freiburg und Straßburg. Vive la relation franco-allemande!"

"Hey, ich bin's nochmal: Tom. Ich verbrachte meinen Freiwilligendienst in der Ecole Steiner-Waldorf in Sorgues bei Avignon, in der wunderbaren Provence im schönen Frankreich. Als einen Höhepunkt während meines Gapyears nahm ich im Sommer an einem Radrennen auf den sagenumwobenen Mont Ventoux teil. Das war so ziemlich das anstrengenste, was ich je geleistet habe. Als ich nach knapp sechs Stunden, vieeeelen Kilometern und noch mehr Höhenmetern auf dem Gipfel ankam, erwarteten mich dort schon meine lieben Mitfreiwilligen. Das war ganz wunderbar! Nun, knapp 10 Wochen nach meiner Rückkehr nach Deutschland fühle ich mich noch immer reich beschenkt von meiner Zeit im Süden und würde jedem jungen Menschen eine solche Erfahrung im Ausland wünschen. Und die VR-Bank Westthüringene G unterstützt euch ja auch noch! Als ich neulich Bilder aus Frankreich in mein Fotoalbum klebte und auf ein Foto vom ersten und eines vom letzten Tag stieß, konnte ich mich in beide Situationen hineinversetzen, sah jedoch: ich bin ein Anderer geworden. Und so kann ich mit Stolz über meinen Freiwilligendienst behaupten: Je ne regrette rien."